Zwischen März 1934 und Juli 1957 wurde bei unseren französischen Nachbarn ein wahrhaftes Jahrhundertauto gebaut.

Der Zeitpunkt der Markteinführung konnte für Citroen schwieriger nicht sein, die Nachwehen der Weltwirtschaftskrise, chronische Finanzknappheit und ein sich am Boden befindender Automobilmarkt im In-und Ausland standen Pate.

Nach 18-monatiger Entwicklungszeit kam ein Großserienfahrzeug auf den Markt, welches die Automobilwelt mit seinem Front-antrieb, Einzelradaufhängung mit Torsionsstabfederung ringsum, hydraulischer Bremse, Kombiinstrument und einer selbst-tragenden Ganzstahlkarosserie auf den Kopf stellen sollte.
Das Ganze formschön, tiefliegend und ohne die üblichen Trittbretter von dem bekannten Bildhauer Flaminio Bertoni gezeichnet.

Der ungeheure Mut zu extremen technischen Innovationen und immer größeren Investitionen in neueste Produktionstechniken nach amerikanischem Vorbild (Andre Citroen war der Wegbereiter der Fließbandfertigung in Europa) am Quai de Javel mitten in Paris kosteten Andre Citroen noch im Jahr der Markteinführung sein Unternehmen, welches an den Hauptgläubiger Michelin übertragen wurde.

Gezeichnet durch Krankheit stirbt der Automobilpionier Citroen ein halbes Jahr später am 03. Juli 1935.               

Glücklicherweise von keinem anderen Autohersteller, sondern von einem gleichermaßen innovativen Unternehmen der Reifenbranche übernommen, kann der Traction seinen vorgegebenen Weg fortsetzen und eine weitere tiefgreifende Innovation, die uns alle auch heute noch täglich begleitet, den Stahlgürtelreifen (Patent Michelin), auf die Straße bringen.

In den Jahren 1934 und 1935 wurden auch im deutschen Reich 1.823 Exemplare des Typ 7 und 11 (7 und 11 CV = französische Steuer-PS) produziert.
Das als deutsche Aktiengesellschaft firmierende Montagewerk befand sich seit 1927 im Kölner Stadtteil Poll und wurde am 30. Januar 1936 liquidiert.
Die Ursache hierfür war nicht etwa die Übername der Muttergesellschaft durch Michelin, sondern die zunehmende repressive Wirtschaftspolitik der Nationalsozialisten, die durch die eingeführte Devisenbewirtschaftung die Lieferungen aus Frankreich immer weiter einschränkten.

Danach existierte nur noch die neugegründete Citroen-Dienst-AG für die Reparatur und Reproduktion von Ersatzteilen für die im deutschen Reich zugelassenen Citroen-Fahrzeuge.

Am 01.September 1939, dem Tag des Überfalls der Wehrmacht auf Polen, wurden alle Citroen-Immobilien und sämtliches Inventar als sogenanntes Feindmaterial enteignet.
Erst Ende 1949 wurden diese Nazi-Beschlüsse aufgehoben und Citroen konnte als Importeur in Köln dauerhaft sesshaft werden.

Interessant auch die deutschen Preise für Neuwagen im Jahr 1935:

Limousine 7CV (35PS) M 3.750.-
Roadster 7CV RM 4.250.-
Limousine 11CV (44PS) leicht RM 4.050.-
Roadster 11CV leicht RM 4.550.-
Limousine 11 CV breit 4.250.-
Roadster 11CV breit RM 4.750.-

Im Vergleich zum einzigen technisch annähernd vergleichbaren Fahrzeug Audi Front UW aus Zwickau:

Limousine 40PS RM 5.900.-
Cabriolet 40 PS RM 6.875.-
Limousine 50PS RM 5.900.-
Roadster   50PS RM 8.500.-

Im Volksmund wird der Traction bisweilen als „Gangsterlimousine“ bezeichnet, was sicherlich mit der meist schwarzen Farbgebung, dem tiefen Schwerpunkt gepaart mit Frotantrieb und den daraus resultierenden für damalige Verhältnisse überragenden Fahrverhalten zu tun hat.
Aufgrund genau dieses Fahrverhaltens und der Geräumigkeit der Karosserie stellte der Traction auch während der Besatzung Frankreichs bei den deutschen Dienststellen, vor allem der Gestapo und SS, das beliebteste Fahrzeug dar.

Nach zeitigen Experimenten (1934 und 1935) mit einem Achtzylinder-V-Motor (22CV / 100PS) wurde die Baureihe im Sommer 1938 um eine 6-Zylinder-Version, den 15CV (76PS) erweitert, der nur als Berline (Limousine) und Familiale (Kombilimousine) angeboten wurde.
Dieser Motor passt perfekt zum Charakter des Traction, dessen Motorhaube für den größeren Motor deutlich verlängert werden musste.

Nach Kriegsausbruch wurde die Produktion dieses Modells, welches in Frankreich als „Reine de la Route“ (Königin der Landstraße) bezeichnet wird, eingestellt, um im Februar 1946 wieder aufzuerstehen.
Diese elegante Limousine wird im Jahr 1954, ein Jahr vor Produktionseinstellung, noch einmal zum Technologieträger für das nächste Jahrhundertauto aus dem Hause Citroen – die göttliche DS (franz. DeeSee = die Göttin).
Im 15-Six H schwebt man Dank der hydopneumatischen Federung an der Hinterachse der kommenden DS wie auf Wolken.

In den Jahren 56 und 57 wird nur noch der Typ 11CV mit 60 PS Vierzylindermotor parallel zur DS produziert, am 18. Juli 1957 verlässt der letzte Traction Avant nach knapp 760.000 Einheiten, ein 11D Familiale, die alten Werkshallen am Quai de Javel.
Zu diesem Zeitpunkt ist der Traction mit über 23 Jahren Bauzeit das am längsten gebaute Fahrzeug der Geschichte.

Die in dieser langen Zeit gebauten außergewöhnlich vielen Karosserievarianten und deren Bezeichnungen aufzuführen würde den Rahmen sprengen.
Am einfachsten an den Limousinen zu unterscheiden sind:

  • legere = leicht, kurze Limousine ohne nach außen stehenden Kofferraum
  • large/normale = breite Karosserie, kleiner sichtbarer Koffer
  • familiale = Kombilimousine, großer Koffer

Heute an seinem 80. Geburtstag gehört der Traction Avant in allen seinen Versionen zu den beliebtesten Klassikern auf der linken und der rechten Seite des Rheins.