Der Verfasser dieses Artikels ist einer der ersten aktiven Mitglieder unseres OCC Stammtisches und für sein Fachwissen
„Alles rund um den 311 -er Wartburg“ bekannt. Viel Spaß beim Lesen seiner 311-er Story !

Der 311-er

Er gehörte in den fünfziger und sechziger Jahren zweifellos zu den bekanntesten und begehrtesten Autos in der DDR – der Wartburg 311.
Für viele galt er als ein erstrebenswertes Ziel der automobilen Fortbewegung.

Wer ihn besaß oder nach einigen Jahren Wartezeit kaufen konnte, war zu Recht stolz, sich so einen Wagen leisten zu können.
Dabei war seine Entstehung als Nachfolger des F9 eher untypisch für die damalige Zeit der zentral gelenkten Wirtschaft.
Die Fertigung des IFA F9, entstanden als Vorkriegsmodell DKW F9, mussten die Eisenacher Automobilbauer 1953 auf Weisung der Partei- und Staatsführung aus Zwickau übernehmen, um dort Raum für das Kleinwagen-Projekt Trabant zu schaffen.

Doch in Eisenach war man gewöhnt, noch resultierend aus BMW-Zeiten, große Reiselimousinen mit Sechszylinder-Viertaktmotoren wie zuletzt den EMW 340 zu produzieren.
Nun sollte man Autos bauen, bei denen die Anzahl der Zylinder, der Takte und die Fahrzeuggröße halbiert wurde.
Man war vom F9 alles andere als begeistert, aber Widerstand war zwecklos, man machte aus der Not eine Tugend und begann unverzüglich, das Auto weiter zu entwickeln.

Nach anfänglichen Versuchen, die Karosserie zu modernisieren, entschied man sich für ein völlig neues Modell, denn ein viertüriger, geräumiger Wagen musste wieder her.
Da die Entwicklung “von oben“ nicht genehmigt war, wurde sie illegal betrieben.
Die Sache flog auf, als 1955 die ersten fahrfertigen Prototypen des damals noch als EMW 311 bezeichneten Fahrzeuges auftauchten.
Der Eisenacher Betriebsdirektor wurde mit einem Auto nach Berlin bestellt und erhielt eine Abmahnung.

Dort war man jedoch von der Form des neuen Produktes derart positiv beeindruckt, dass die sofortige Serienfreigabe erfolgte.
Aber dennoch: Der Direktor musste 5000,- Mark Strafe zahlen.
Ein Jahr später erhielt er für die gelungene Neuentwicklung eine Prämie von 5000,- Mark….

Unmittelbar nach dem Serienanlauf der Limousine 311, die inzwischen den Namen „Wartburg“ erhalten hatte, folgten weitere Modelle wie Faltdach-Limousine, Kombi, Camping, Coupê, Cabriolet und der Kleintransporter Pick up.
Zusammen mit dem etwas später entstandenen Sportwagen Wartburg 313/1 war in kurzer Zeit eine Modellpalette entstanden, die in der Geschichte des Automobilwerkes Eisenach und im weiteren Automobilbau der DDR einmalig war.

[Qelle: Horst Ihling , Autos aus Eisenach, vom Wartburg zum Opel , Motorbuchverlag Stuttgart, zweite Auflage 1999]

Der Wartburg 311 – Notizen einer Restaurierung

Das hier vorgestellte Fahrzeug entstammt dem Baujahr 1959, war ursprünglich eine Standard-Limousine und wurde von zwei Vorbesitzern bis 1989 gefahren.
Der heutige Besitzer kaufte es im Jahr 2001, nachdem es die Zwischenzeit aufgebockt und konserviert in einer trockenen Garage überstanden hatte.
Es war trotz Verschleiß- und Standschäden bedingt fahrbereit und konnte auf eigener Achse überführt werden.
Innerhalb der folgenden drei Jahre wurden zunächst Motor, Getriebe, Fahrwerk, Bremsen und Elektrik überholt und geringe optische Retuschen vorgenommen, sodass 2004 eine Dekra-Abnahme und Zulassung möglich war.
Das Ergebnis war ein voll funktionsfähiger Wartburg mit äußerlichen Mängeln aufgrund unfachmännischer Klempnerarbeiten und einer Lackierung, die sicherlich, wie zu DDR-Zeiten üblich, nach Feierabend in einer Garage erledigt worden war.

Da der äußere Zustand auf Dauer nicht befriedigte, wurde 2005 ein zweiter Wartburg 311 erworben, eine Luxus-Limousine mit Faltdach, Baujahr 1962.
Der desolate Zustand der Technik störte wenig, da sich die Karosserie als restaurierungswürdig und nahezu vollständig erwies.
Diese wurde abgebaut und komplett zerlegt.
Nachdem vom Korpus ohne Scheiben und bewegliche Teile eimerweise Schmutz, Rost und Elaskonreste abgekratzt waren, wurde dieser sandgestrahlt und sofort grundiert.
Nach der klempnermäßigen Instandsetzung wurden, aufgesetzt auf einen Rahmen, alle aufgearbeiteten Anbauteile, wie Kotflügel, Türen und Hauben wieder angebaut und vor allem eingepasst.
Die Lackierung erfolgte in elfenbein/korallenrot, wobei letzteres nicht genau mit dem damaligen Koralle übereinstimmt, da einem RAL-Farbton der Vorzug gegeben wurde.
Inzwischen war auch der fahrbereite Wartburg zerlegt und die lackierte Karrosse konnte mit dem bereits vorher überholten Fahrgestell „verheiratet“ werden.
Kenner werden bemerken, das dafür Änderungen im Motorraum (Kühlung, Heizung, Zündspulen) auf den Stand von 1962 vorgenommen wurden.

Für die Innenausstattung fand sich durch Zufall eine Weberei, die den Original-Bezugsstoff nach Muster nachfertigte.
Die größte Hürde letztlich war die Instandsetzung des Faltdaches, dessen Mechanismus aus ca. 30 beweglichen Teilen besteht.
Es gelang zwar, den Original-Bezugsstoff zu beschaffen und ein passender Himmel war auch vorhanden.
Erst nach langem Suchen fand sich ein alter Schiebedach-Experte, der Zuschnitt und Einbau so meisterte, dass das Ergebnis vom Original kaum zu unterscheiden ist.

Abschließend sei bemerkt, dass das Faltdach das schönste Detail dieses Autos ist.
Es bietet Frischluft-Fahrspaß pur und steht einer Cabrio-Limousine nur wenig nach.
Diese Einschätzung kann nach ca. 10000 pannenfreien Kilometern getroffen werden.

Der OCC bedankt sich beim Verfasser für diesen tollen Artikel und die zur Verfügung gestellten Bilder.